In der Generalversammlung am 18. Februar 2022 wurde Bernd Gimpl zum neuen Zunftmeister der Narrenzunft Wehingen e.V. gewählt. Bernd war bisher Vorstand des Fanfarenzugs sowie bereits Mitglied im Zunftrat und übernimmt das Amt von Stefan Freundl. Als Stellvertreter wurde Alfred Geisel gewählt.
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Narrenzunft Wehingen e.V.
Zur Geschichte der Narrenzunft und der Wehinger Fasnet
Die Narrenzunft Wehingen wurde in ihrer heutigen Form im Jahre 1939 gegründet. Die Vorstände des Turnvereins hatten sich vorgenommen, die bis dahin wilde Fasnet zu organisieren. Das alte Wehinger Fasnetsbrauchtum sollte erhalten und gefestigt werden. Durch den Krieg wurde der gute Anfang leider unterbrochen. Aber bereits im Jahre 1946 wurde trotz Besatzungskontrolle im Ortsteil Harras wieder Fasnet gefeiert. Im Februar 1950 wurde zu einer Versammlung eingeladen, in der erneut eine Narrenzunft gegründet wurde. Im Jahre 1959 übernahm Franz Staller das Amt des Zunftmeisters. Unter seiner Führung wurde die Zunft systematisch aufgebaut und organisiert. 1973 wurde die Narrenzunft in die Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte aufgenommen. 1979 gab Franz Staller das Amt des Zunftmeisters an Heiner Leibinger weiter, der die Zunft bis 1988 führte. Seit 1988 vertrat Paul Staller als Zunftmeister die Belange der Narrenzunft Wehingen.
Die Wehinger Fasnet ist natürlich wesentlich älter. Die Erwähnung des Begriffs Fastnacht findet man in alten Wehinger Urkunden bereits im 13. Jahrhundert im Zusammenhang mit der Ablieferung von Abgaben an die jeweilige Herrschaft der Burg Wehingen. So mussten im Jahre 1299 an die Herrschaft „20 Herbst- und Fastnachtshühner“ abgegeben werden. Über die Gestaltung des Abgabetermins oder über bestimmte ausgeübte Brauchformen kann jedoch nichts gesagt werden.
Aus dem 19. Jahrhundert belegen Eintragungen in den Kirchenbüchern, dass in Wehingen Fasnet gefeiert wurde. So beklagt der Kirchenkonvent laut Protokoll im Jahre 1843, dass die ledigen Leute am Aschermittwoch für diesen Tag nicht still genug gewesen seien. Sowohl 1852 wie auch 1853 erhob sich in den Protokollen wiederum die Forderung, „daß das Schultheißenamt mit aller ihm zustehenden Kraft gegen den Unfug einschreiten soll, daß am Aschermittwoch hier noch Fasnetsumzüge gehalten und damit die Ruhe des ersten Fastentages gestört würde„. Im Jahre 1857 wurde dieses Verbot noch eindringlicher wiederholt, da vor allem die jungen Leute vom Narrentreiben nicht mehr ablassen wollten. Frühere Hinweise auf Fasnetsbrauchtum in Wehingen wurden wohl durch den großen Brand im Jahre 1828 vernichtet.
Ein Blick in die Dorfgeschichte zeigt, dass im 19. Jahrhundert die meisten Männer den Maurerberuf ausübten. So kamen sie weit herum und lernten auf ihren Wanderungen auch die vielfältigen Fasnetsbräuche in den Städten der näheren und weiteren Umgebung kennen. Somit ist es nicht verwunderlich, dass es bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Wehingen Glattlarven und Weißnarrenhäser gab. Die Witwe Magdalena Walz verlieh zur Aufbesserung ihrer Existenz Narrenkleider stundenweise. Aus ihrem Narrenkleidfundus ist ein Kleid erhalten geblieben, das an der linken Hosennaht die Jahreszahl 1863 trägt. Diesem Kleid, das übrigens mit Flicken aus dem Stoff von wohl noch älteren Narrenkleidern ausgebessert wurde, sind die heutigen Narrenkleider nachempfunden. Das alte Original-Narrenkleid ist im Narrenschopf der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte in Bad Dürrheim zu besichtigen.
Die heutige Narrenzunft setzt sich zusammen aus Zunftrat, Narren, Harrasweible und Fanfarenzug. Weiterhin gibt es noch eine Einzelfigur, den Pfhus. Der Zunftrat trägt einen schwarzen Hut mit breiter Krempe und einem blau -weißen Band, an dem das Wehinger Wappen und ein Fuchsschwanz befestigt sind. Der Rock ist aus blau geripptem Samt mit weißen Einsätzen an den Ärmeln und einem weißen Kragen. Über der linken Schulter wird ein roter Umhang getragen. Ein breiter weißer Gürtel und eine schwarze Bundhose, zu der weiße Strümpfe und schwarze Schuhe getragen werden, vervollkommnen die Zunftratsuniform.
Die Hauptfigur in der Wehinger Fasnet ist der Narr, der dem alten Kleid aus dem Jahr 1863 nachgestaltet ist. Das Kleid trägt in der Schleife der linken Hosennnaht die Jahreszahl 1863, auf der rechten Seite die des Jahres, in dem das Kleid gefertigt worden ist. Es ist aus altgewobenem Linnen hergestellt und wird mit Ölfarbe bemalt. Der Kittel zeigt auf dem Rücken das Bild eines Schreckgesichts. Auf der Vorderseite ist ein Eichhorn und ein Wichtel abgebildet. Die Ärmel sind mit einer Maske und einem Einhorn bemalt. Die Hose zeigt auf der Rückseite einen Bauern und eine Bäuerin mit der Schlange als Symbol der Versuchung. Auf der Vorderseite sieht man den Falkner und eine Dame mit dem glücksbringenden Schweinchen. Die Figuren dürften in Verbindung mit der ehemaligen Herrschaft von Wehingen stehen, deren Wappen auf dem Falknerhut erkennbar ist.
Zum Narrenkleid wird eine Glattlarve getragen. Die Larve ist an einem fünfspitzigen Haubentuch befestigt, an dem hinten Fuchsschwänze angebracht sind. Das Tuch ist vorn mit den Motiven Herr und Bauer, auf der Rückseite mit einem Grafen und dem Hofnarren bemalt. Die Motive werden durch grüne Ranken voneinander getrennt. Die Spitzen des Haubentuchs sind mit bunten Wollzotteln verziert. Der Narr trägt einen blau-weißen Stock mit einem Fuchsschwanz in der Hand. Über die Schultern werden mehrere Lederriemen mit einem schweren Geschell getragen, das in früheren Jahren aus alten Sensen geschmiedet wurde.
1974 entstand in der Wehinger Fasnet eine neue Figur, das Harrasweible. Es soll gemäss einer Sage im Tal zwischen dem Ortsteil Harras und Obernheim seinen Schabernack getrieben haben. Besonders die Fuhrleute wurden vom Harrasweible arg geplagt, da ihre Pferde durch den Spuk des Weibles auf dem Weg durch das Tal nicht mehr vorwärts kamen. Sie machten das Kreuzzeichen und schlugen am Rad die dreizehnte Speiche aus, worauf die Pferde wieder anzogen und das Fuhrwerk den steilen Weg hinaufbrachten.
Die Holzmaske des Harrasweibles ist eine Wehinger Besonderheit. Sie zeigt ein zwiespältiges Gesicht mit einer lachenden und einer griesgrämigen Seite. Das Häs, das jedes Weible selber näht, setzt sich aus Rock, Schürze, Bluse und Kopftuch zusammen. Die Stoffe sind aus Leinen und Baumwolle. Auf dem Kopf trägt das Harrasweible ein Bäuschltle mit einem Reisigbüschel aus Buchenreis.
Der Pfhus ist eine Einzelfigur in der Wehinger Fasnet. Sie erhielt ihren Namen vom Spitznamen „Pfhuser“, mit dem die Wehinger insbesondere in den umliegenden Nachbargemeinden bezeichnet werden. Die Schreibweise „Pfhuser“ ist nicht einheitlich, so kann man in den unterschiedlichen Quellen manchmal auch „Pfuser“, „Pfuzer“, „Fuszer“ oder „Phuser“ lesen.
Mit der Neugründung der Narrenzunft nach dem Krieg entwickelte Lehrer Ulrich Zimmerer die Idee, einen Urnarren, den „Phuos“ zu schaffen. Als Vorlage für die Maske diente das Schreckgesicht, das der Kittel des alten Wehinger Narrenkleides auf seinem Rücken zeigt. Die braun gefärbte Maske zeigt ein Schreckgesicht mit Stoßzähnen, dunkelroten Lippen und weißen Zähnen. Das Kleid ist aus einem Stück aus grober Sackleinwand gefertigt. Es ist besetzt mit Fuchsschwänzen. In der Hand trägt der Pfhus einen großen Haselnußstecken, an dem mehrere Saublotern (Schweinsblasen) befestigt sind. Sein Geschell trägt der Pfhus mit einem Ledergürtel um den Bauch. Der Pfhus will den Winter austreiben und schlägt mit seinen Saublotern wild um sich. Er ist an zwei Seilen angebunden und wird von zwei Bauern gebändigt, damit er sein Spiel nicht zu wild treibt.