Wilflingen, mit 900 Einwohnern, die kleinste Gemeinde in der Fastnachtlandschaft Neckar-Alb, verfügt heute über ca. 320 Schellnarren und ca. 200 Teufel. Eine Besonderheit ist der Strohbär, eine Einzelfigur, in dieser Art der einzige im süddeutschen Raum.
Die Narrenzunft Wilflingen wurde in der heutigen Form 1930 gegründet und zählt heute 192 Mitglieder.
Am 03.Februar 1930 trafen sich im Gasthaus zur „Traube“ 15 Männer und riefen die Narrenzunft Wilflingen ins Leben. „Insbesondere soll die jahrhundertealte Fasnachtsfeier der Gemeinde Wilflingen erhalten und gehoben werden.“ notierte der Schriftführer in sein Protokollbuch.
„Die Kleidung unserer Narren soll ziemlich einheitlich sein. Der historische Stil soll beibehalten werden.“ so wurde beschlossen. Immer wieder wurde und wird in der Wilflinger Narrenzunft das Althistorische der Wilflinger Fastnacht und der hiesigen Figuren beschworen. Aus der Ortschronik ist bekannt, daß es schon um die Jahrhundertwende 16 Narrenkleider in Wilflingen gab und dass die Wilflinger um 1850 sehr ausgelassen Fastnacht feierten. Eine organisierte war 1845 von Michael und Ignaz Reger eingeführt worden.
Der Schellnarr mit seiner glatten Maske, dem fleckenbesetzten Kleid, dem Spitzhut und dem Schellengurt wird als typische Barokfigur angesehen, die den Sommer verkörpert. Es ist denkbar, daß die in der Ortsbeschreibung erwähNarrentreffene Familie de Baratti, die dem Namen nach romanischer Herkunft ist, im 18 Jahrhundert solche Narrenkleider ins Dorf gebracht hat. Die Vermutung, dass diese Narrenkleider aus dem Süden importiert wurde, erhält eine Bestätigung durch den um den Leib gebundenen Schellengurt. Während alle Geschelle in Südwestdeutschland über die Schulter hängen, tragen die Tiroler und die innerschweizerischen Maskenfiguren ihre Glocken auf Leibgurte genietet. In seiner Betrachtung ist der Wilflinger Schellnarr als fasnachtlicher Exot anzusehen.
Die Figuren des Teufels und des Strohbären sind dagegen eindeutig ältere Gestalten aus bäuerlichen Lebens- und Sinneszusammenhängen. Der Teufel symbolisiert mit seiner schwarzen Larve die dunklen Mächte, das Magisch-Bedrohliche, das zugleich aber auch das Aufbegehren der eigenen unterbewussten Kräfte verkörpert. Der Strohbär steht für das Vegetativ-Animalische, für die geschundene und gefangene Kreatur, in der die Bedrohlichkeit der Natur gezähmt erscheint. Beide, Strohbär und Teufel, stehen als Gestalten des Dunklen, des Winters dem Schellnarr gegenüber, der die dunklen Mächte mit seinen Schellen vertreibt, ihre Bedrohlichkeit entzaubert und den Sommer einläutet.
Eine weitere Figur unserer Fasnet ist der Clon. Wie unser Schellnarr,Strohbär und Teufel gehört der Clon seit jeher zur Wilflinger Fasnet, wenngleich er erst 1999 in die VSAN aufgenommen wurde. Der Clon ist hauptsächlich das Narrenkleid der Frauen, da unser Schellnarr von seiner Ausstattung her, eher auf Männer abgestimmt ist. Früher war es auch das Narrenkleid derer, die sich keinen Schellnarr leisten konnten.
Der Clon hat ebenfalls eine Glattlarve, welche an der Stirn mit bunten Pompons gesäumt ist. Die Larvenhaube ist aus Samt mit Fransenabschluß. Das Häs ist einteilig, aus bunter Fasnetsseide, die alten Häser sind aus bunter Baumwolle. Der Clon trägt weisse Handschuhe, schwarze Schuhe und am Handgelenk führt er ein Federwisch mit.
Seit jeher wurde und wird auch unser Strohbär mit dieser Figur durch den Ort getrieben.
Wenn die Narren abends nach Betzeitläuten das Geschell ablegen, schlüpfen sie in den Clon und ziehen in Gruppen durch die Häuser und Wirtschaften.
Durch die ganzen 30er Jahre hindurch konnte die Narrenzunft Wilflingen jährlich ihre Veranstaltungen mit gutem Erfolg abhalten, obwohl bereits seit 1932 immer wieder Hinweise auf die schwierigen politischen Verhältnisse in den Protokollen aufscheinen. Im Jahr 1937 verzeichnete die Zunft 59 Mitglieder. Auffällig ist, dass die Narren immer eng mit dem Musikverein zusammenarbeiteten. An keiner Fastnacht fehlt der Hinweis, daß die Umzüge oder andere Veranstaltungen von der Musik mitgetragen wurde. 1939 konnte zu letzten Mal Fastnacht gefeiert werden.
Nach dem Krieg nahm die Narrenzunft 1950 ihre Arbeit wieder auf. Als Neuerung ist zu verzeichnen, daß im Jahre 1951 erstmals ein Elferrat gewählt wurde, dem u.a. der Zunftmeister Martin Amann angehörte. Es wurden die traditionellen Veranstaltungen vom Schmotzigen Donnerstag bis zum verbrennen des Fidele am Aschermittwoch , aber auch die gute Zusammenarbeit mit dem Musikverein wieder aufgenommen. Von nun wurden immer öfters die Wilflinger Fasnachtsbräuche auch außerhalb des Dorfes präsentiert, indem die Narrenzunft Wilflingen immer häufiger an auswärtigen Narrentreffen teilnahm. Wichtigste Station in der Nachkriegsgeschichte des Vereins war 1966 die Aufnahme in die Vereinigung der Schwäbisch-alemannischen Narrenzünfte. Gleichzeitig setze auch eine größere Beachtung der einzigartigen Elemente der Wilflinger Fastnacht durch ein größeres Publikum und durch die Fachleute der Fastnachtsforschung ein. 1966 wurde ein Film über die Wilflinger Fastnacht gedreht. In verschiedenen Museen und Ausstellungen wurden und werden die Wilflinger Fastnachtskleider gezeigt wie zum Beispiel: Narrenschopf in Bad Dürrheim und Kunsthistorisches Museum in Basel.
Zur Brauchtumspflege und zur Ortsverschönerung hat die Narrenzunft 1995 in der Ortsmitte einen Narrenbrunnen erstellt. Er zeigt in Bronze gegossen die drei Haupftfiguren der Wilflinger Fasnet.