Im Felsenstädtchen Haigerloch ist der Beginn einer organisierten Fasnacht auf die Zeit um das Jahr 1885 zu datieren. Und in der Nachfolge des damals aktiven Narrenkommitees, das auch die älteste, bekannte Narrenzeitung von 1898 herausgab, gründete sich am 5.2.1906 – dem damaligen Einfluss entsprechend – ein „Carneval-Verein Haigerloch“, der sich schließlich 1930 im Jahr der Aufnahme in die Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte in „Narrenzunft Haigerloch“ umbenannt hat.
Stolz ist man in Haigerloch auf die umfangreiche Tradition. So lassen sich Fasnetsbräuche allgemein bis in das Jahr 1457 zurückverfolgen. Und Fasnachtsumzüge, der Brauch der Fasnetsküchle als herrschaftliche oder kirchliche Gabe sowie die „Unsitte“ des Fasnachtsbegrabens sind bereits im 17. und 18. Jahrhundert beschrieben.
Einer der ältesten, noch bestehenden Haigerlocher Fasnetsbräuche ist das Bräuteln, das erstmals 1860 durchgeführt wurde und bis heute in nahezu unveränderter Form abgehalten wird. Es handelt sich dabei um einen in einigen anderen hohenzollerischen Städten üblichen Brauch, der möglicherweise auf alte Fruchtbarkeitsriten zurückgeht, vielleicht aber auch auf die Zeit nach dem 30-Jährigen Krieg zur Aufmunterung der Lebenslust im Allgemeinen und der Heiratslust im Besonderen. Heute wird das Bräuteln als ein Aufnahmeritus in die örtliche Gemeinschaft gesehen und findet alle 4 Jahre, jeweils im Schaltjahr am Fasnetsmontagvormittag statt. Die Bräutlinge, alle Mannsleut, die in den letzten 4 Jahren zugezogen sind, gebaut oder geheiratet haben, werden unter den Klängen des Bräutelmarsches auf der Bräutelstange dreimal um den Marktbrunnen getragen und anschließend durch Eintauchen der linken Fußspitze in das Brunnenwasser in die Narrengemeinschaft aufgenommen. Organisiert und Abgehalten wird das Bräuteln von der Bräutelgesellschaft, einer Abteilung der Narrenzunft, die aus ledigen jungen Männern ab 16 Jahren, den Bräutelbuben, besteht. Diese haben bereits am vorausgehenden „Auseliga Dauschtig“ das Bräuteln ausgerufen und die Bräutlinge eingeladen.
Weitere Bestandteile der Haigerlocher Fasnet sind das Häsauslufta am Dreikönigstag, die Kinderfasnet am „Auseliga“ mit der Schulkinderbefreiung und dem Auswerfen durch die nur an diesem Tag in Erscheinung tretenden „Dominos“ sowie dem Kinderumzug und dem Kinderball, das Fasnetsausrufen am Abend des „Auseliga“ mit dem Absetzen des Stadtschultes und der Machtübernahme durch den Narrenzunftmeister. Straßenfasnet mit Narrentreiben und Umzug bilden den Schwerpunkt am Fasnetsmontag, dem Hauptfasnetstag, während am Fasnetsdienstag die Fasnet nach einem Fackelumzug unter lautem Wehklagen verbrannt wird.
Ein hohes Alter besitzen die Haigerlocher Fasnetsmasken „Bischöfle“ und „Rottweiler“, zusammen auch als „Grombiradrucke“ bezeichnet. Sie stammen aus dem 18. Jahrhundert und zählen damit zu den ältesten vorhandenen Masken der schwäbisch-alemannischen Fasnet. Die spätbarocken, geschlechtslosen Glattlarven sind vermutlich damals in der Werkstatt der Rottweiler Dominikaner entstanden und durch verwandtschaftliche Beziehungen nach Haigerloch gelangt. Das Häs aus ungebleichtem Leinen ist mit hochkantstehenden bunten, rautenförmigen Fleckle besetzt. Ausgerüstet sind die „Grombiradrucker“ mit Rätschen, Federwischen, Saublodern oder Karbatschen, den kurzstieligen, bis zu 4 m langen Fasnetspeitschen.
Dem beginnenden 19. Jahrhundert zugerechnet wird der „Stadtbutz“, der unter den Haigerlocher Maskenfiguren eine ordnende Funktion hat und mit seinem Reisigbesen dem Umzug voran geht. Und kaum weniger alt sind die beiden Weißnarrenfiguren „Remple“ und „Uhrafiedla“ und auch die den Frauen und Mädchen vorbehaltene „Fledermaus“, die einen Schleier aus weißem Vorhangstoff trägt, dessen Zipfel auf dem Kopf mit bunten Bändern zu Ohren abgebunden sind.